Purvottanasana – die nach Osten ausgerichtete intensive Streckung 

„Purva“ bedeutet Osten und bezieht sich auf der Vorderseite des Körpers, „Uttana“ intensive Streckung – Purvottanasana lässt sich als östlich ausgerichtete Dehnung übersetzen. In dieser Haltung wird die gesamte Vorderseite des Körpers weit und erfährt eine intensive Dehnung. Kraftvoll aktiviert sich die Körperrückseite, um den Körper entgegen der Schwerkraft zu heben und der Vorderseite Offenheit zu schenken.

Dieses Zusammenspiel erinnert an die traditionelle Beschreibung des Meditationssitzes: Eine stabile Körperrückseite bildet das Fundament, wächst flexibel und aufgerichtet nach oben, während sich die Schulterblätter sanft in den Raum zurücklehnen. So kann sich die Vorderseite – Bauch, Brust, Halsvorderseite und Gesicht – weich entfalten, durchlässig und empfänglich werden für das, was uns entgegenkommt.

Auf einer tieferen Ebene spiegeln Purvottanasana und der Meditationssitz Qualitäten wider, die wir auch im Geist kultivieren möchten: Sthira – Stabilität, Klarheit, das bewusste Zurückkehren zur Atmung, zu Körper und Geist – und Sukha – Leichtigkeit, Freundlichkeit, das feine Loslassen, das uns offen und weich bleiben lässt im Umgang mit uns selbst und anderen.

In der Praxis des Shoshuten – dem mikrokosmischen Energiekreislauf – wird dieser Prozess erlebbar: Die Energie steigt entlang der Körperrückseite (Yang-Seite) auf, öffnet und belebt, und fließt dann über die Vorderseite (Yin-Seite) wieder zurück zur Erde. In diesem Kreislauf werden verstreute Energien gesammelt, gebündelt und harmonisiert.

So erinnert uns Purvottanasana daran, dass Stabilität und Empfänglichkeit, kraftvolle Aufrichtung und weiche Offenheit, Sthira und Sukha, Yin und Yang voneinander abhängige Qualitäten sind, die sich ergänzen und ausbalancieren.
Mit dieser Asana verkörpern wir den Weg der Mitte, jenseits aller Extreme.

Viel Glück!